Über den Autor

Karl Eduard Paulus, später von Paulus, zum Unterschied von seinem Sohn Eduard Paulus auch Eduard Paulus der Ältere genannt, geb. am 30. Januar 1803 in Berghausen bei Speyer, gest. am 16. Juni 1878 in Stuttgart, war ein württembergischer Kartograph, Topograph, Landeskundler und Archäologe.
Sein Werdegang ist ausführlich beschrieben in der Allgemeinen Deutschen Biographieexterner Link, der Wikipedia-Artikel Karl Eduard Paulusexterner Link wird dem Mann dagegen nicht gerecht.

Karl Eduard Paulus trat nach dem Besuch einer Forstschule im Alter von 17 Jahren seinen Dienst als Forsteleve beim Forstamt Böblingen an. Er war dort etwa zwei Jahre u. a. mit der Erstellung von Forstkarten beschäftigt, bevor er zur Landesvermessung und anschließend zum Königl. statistisch-topographischen Bureau wechselte.
Diese Tätigkeiten, die ihn über mehrere Jahrzehnte in alle Teile des Landes führten, boten ihm, wie er selbst an anderer Stelle schrieb, die erwünschten Gelegenheiten sich seiner privaten Liebhaberei, der Archäologie, zu widmen. Was die Archäologie betrifft, war er Autodidakt, getrieben von einem großen Interesse und die Möglichkeiten nutzend, die ihm seine berufliche Tätigkeit boten. Zur Erforschung der römischen Hinterlassen­schaften, so schrieb er, seien neben tüchtigen Terrain­kenntnissen ein von Jugend auf im Freien geübter praktischer Blick erforderlich, worüber er natürlich in reichlichem Maße verfügte und sich den Stubengelehrten, die er mehrfach kritisierte, überlegen fühlte.

Über diese Online-Edition

Aus den Schriften des Württembergischen Alterthums-Vereins, dessen Mitgründer Paulus war, wird hier eine seiner Publikationen aus der Frühzeit der Feldarchäologie vorgestellt:

Als Vorlage für diese Online-Edition diente eine Sammelausgabe der Veröffentlichungen des Württembergischen Alterthums-Vereins, wovon die Universitätsbibliothek Heidelberg ein Digitalisatexterner Link bereitgestellt hat, welches ich teilweise transkribiert habe. Die Transkription wurde mehrmals mit dem Digitalisat verglichen und korrigiert.

Editionsrichtlinien
Die Transkription folgt der Vorlage unter Anwendung der folgenden Richtlinien:
  • Die Zeilenstruktur, sowie Worttrennungen am Zeilenende und Seitenende werden in der Textansicht beseitigt.
  • Das lange 'ſ' wird als normales 's' wiedergegeben.
  • Die Frakturschrift unterscheidet die Großbuchstaben I und J nicht, sie werden hier nach Lautwert transkribiert.
  • Abkürzungen werden nicht aufgelöst, jedoch rc oder &c durch etc. ersetzt.
  • In Antiqua gesetzter Text wird durch eine Serifenschrift wiedergegeben.
  • Andere Textauszeichnungen wie fett, kursiv und Sperrschrift bleiben erhalten.
  • Eventuelle Druckfehler werden nicht korrigiert und es wird nichts verbessert oder modernisiert.
  • Redaktionelle Änderungen oder Anmerkungen werden in [ ] gesetzt.

Anmerkungen der Redaktion zu diesem Werk

Dieses Werk ist nicht der Stand der Wissenschaft!
Es soll vielmehr die Arbeit und die unendlich vielen kleinen Schritte zeigen, die von interessierten Laien geleistet wurden, deren Erkenntnisse und auch deren Fehlinterpretationen. Das war keine wissenschaftliche Arbeit im heutigen Sinn, sondern ein Vermuten, Suchen, Erkennen und Nachgraben, bis die Archäologie zu einer anerkannten Wissenschaft herangereift war.

Die im Text erwähnte Karte fehlt leider in dem Digitalisat der Uni Heidelberg.

Der mehrfach erwähnte Oberförster Tscherning war für sein geschichtliches Interesse bekannt. Ihm wurde dafür im Schönbuch ein Gedenkstein gewidmet.

Die im Text angegebenen Längenmaße Zoll und Fuß entsprechen nicht genau denen des englischen Maßsystems.
Umrechnung der wichtigsten zur Zeit von Karl Eduard Paulus in Württemberg gebräuchlichen Maßeinheiten:

Maß Abkürzung Umrechnung
Fuß 1 Fuß = 10 Zoll = 0,2865 m
Zoll 1 Zoll = 2,8649 cm
Linie o. Strich 1 Linie = 1/10 Zoll = 2,8649 mm
pariser Fuß par. F. 0,32481 m
Morgen M 1 Morgen = 31,52 ar; 1 ha = 3,172 M
Pfund Pf. 1 Pfund = 467,5 Gramm; ab 1857 = 500 g

[001]

 

Schriften

des

Württemb. Alterthums-Vereins.

 


 

Fünftes Heft.

1859.

[002]
[Leere Seite]
[003]

 

Der Schönbuch

mit seinen Alterthümern

von
Finanz-Assessor Paulus,
ordentl. Mitglied des K. statistisch-topographischen Bureau.

Wenn ich unseren verehrlichen Vereins-Mitgliedern mit dem vorliegenden V. Hefte der Schriften des Württembergischen Alterthums- Vereins eine Beschreibung nebst Karte über die römischen und altgermanischen Ueberreste in dem Schönbuch und dessen Umgegend zu übergeben mich beehre, so geschieht dieß in der Absicht, einerseits, um nachzuweisen, welchen Reichthum an Alterthümern diese Gegend besitzt, anderseits, um zu zeigen, daß es hauptsächlich die Waldungen sind, welche uns diesen Schatz bewahrt haben, indem hier die emsige, alles ebnende Kultur noch weniger eingedrungen ist. Dieß gilt hauptsächlich von den Todtenhügeln und Schanzen, überhaupt von den künstlich aufgeworfenen Unebenheiten, die auf dem Felde von dem fleißigen Landmann eingeebnet werden, theils um sich den Bau des Feldes zu erleichtern, theils um die meist fruchtbare, zusammengetragene Dammerde, aus welcher besonders die Grabhügel bestehen, zu gewinnen und mit derselben die Feldgüter zu verbessern. Dagegen werden römische Ueberreste in den Waldungen seltener aufgefunden, als auf den Feldern, weil diese nicht mehr über die Erdfläche hervorragen, sondern in der Regel einige Fuß unter derselben liegen, und daher auf dem Felde, während des Pflügens oder bei anderen Veranlassungen, öfter zum Vorschein kommen.

Dennoch sind in neuerer Zeit mehrere römische Wohnplätze und Denkmale in dem Walde Schönbuch entdeckt worden, und ohne Zweifel birgt derselbe noch manche alterthümliche Schätze, welche erst in späteren Zeiten noch gehoben werden.

Der Schönbuch ist jener Hügelzug, welcher sich über die gegen Westen angrenzende Ebene, das sogenannte Gäu und auf der östlichen Seite über die Filder-Ebene erhebt, während er gegen Süden von dem [004] Neckar-Thale begränzt wird. Gegen Norden sendet er seine Ausläufer im weitesten Sinne, einerseits bis in die Gegend von Stuttgart, anderseits bis nach Leonberg.

Im engeren Sinne aber rechnet man im Allgemeinen zu dem Schönbuch den weitgedehnten, zusammenhängenden Wald, der sich, wie schon angeführt wurde, zwischen dem Neckarthale bei Tübingen, dem Gäu und den Fildern hinzieht, während dessen nördliche, jedoch etwas wankende Grenze, von dem Schloßberg bei Herrenberg, südlich an Ehingen vorüber gegen Böblingen, und von da nach Rohr lauft, wo sie sich den Fildern anschließt.

Was die natürlichen, namentlich die geognostischen Verhältnisse betrifft, so besteht der Schönbuch im Allgemeinen vorherrschend aus den oberen Gliedern der Keuperformation, die an vielen Stellen von den unteren Gliedern des schwarzen Juras (Lias) überlagert ist. Es ist um so nothwendiger, die geognostischen Verhältnisse hier nur im Allgemeinen zu erwähnen, als sich nach diesen die frühesten Ansiedelungen und alterthümliche Vorkommnisse zu richten scheinen, indem dieselben sichtlich mehr auf günstigen Bodenarten erscheinen, während sie auf minder fruchtbaren Bodenverhältnissen, wie z. B. auf den nahrungslosen Zersetzungen des grobkörnigen Keupersandsteins beinahe ganz fehlen, was ich übrigens in der Folge näher nachweisen werde.

Die in den geognostischen Verhältnissen bedingten Terrainformen des Schonbuchs sind etwa folgende: derselbe bildet eine Hochebene, welche von mehreren tief eingeschnittenen, vielfältig verzweigten, engen Thälern und Schluchten nach allen Richtungen durchfurcht ist. Zwischen diesen Thälern ziehen lang gestreckte Flachrücken hin, die wohl gerundet gegen die ziemlich steilen Thalgehänge abfallen, und im Allgemeinen eine Senkung gegen das Neckar-Thal zeigen. Der höchste Punkt des Schönbuchs (Eschach, Birkensee) fällt, mit einer Erhebung von 1825 par. Fuß über das Mittelmeer, in den nordwestlichen Theil desselben, während die allgemeine Erhebung des Schönbuchs selbst 1500–1600 beträgt.

Der Schönbuch, ein meist mit Laubhölzern bestockter Wald, war seit undenklichen Zeiten die Mutter der Jagd, was noch manche in demselben vorkommende Walddistricts-Benennungen nachweisen wie: Bärloch, Bärenklinge, Wolfsgrube, Wolfsburgerhau, Marderthal, Fuchsberg, Fuchswasen, Fuchsberglen, Dachsbühl, Schweinhag, Sauteich, Saubusch, Hirschländer, Hirschraufe, Hirschplan etc.; die Benennung „Auerhahnen­seele“, welche in den Böblinger Waldungen vorkommt, deutet auf den früheren Aufenthalt, des jetzt nur noch die rauhesten Höhen des Schwarzwaldes bewohnenden Auergeflügels.

So weit die geschriebene Geschichte reicht, erscheint der Schönbuch als Wald, und zwar ursprünglich als Reichsforst, der ein Theil der [005] Grafschaft Tübingen war. Zu dem Bau des Klosters Bebenhausen ward im Jahr 1187 durch die Freigebigkeit des Herzogs Friedrich von Schwaben, ohne Zweifel auf Bitten des Stifters, Pfalzgraf Rudolph I. von Tübingen, welcher über den Schönbuch als Lehen des Reichs nicht selbstständig verfügen konnte, das Holz aus dem Schönbuch geliefert. Auch verlieh Friedrich laut Vollmacht von seinem Vater, dem römischen Kaiser, und in der Eigenschaft eines Herzogs von Schwaben dem Kloster und den Dienern Gottes daselbst, auf ewige Zeiten das Recht, aus dem Walde „Schaienbuch“ das zum Bauen nöthige Holz nehmen, und Vieh darin waiden lassen zu dürfen (s. Schmid, Pfalzgrafen von Tübingen S. 106).

Die Orte, welche in dem Schönbuch und am Saume desselben lagen, hatten nicht allein besondere Nutzungsrechte in dem Schönbuch, sondern auch eigene Walddistrikte (gewöhnlich „Gmainmark“ genannt), die jedoch das Kloster, wie auch die Güter, Rechte etc. alles oder einzeln beliebig verkaufen, vertauschen oder verpfänden konnte.

Am Ende des Jahres 1347 oder Anfang des Jahres 1348 verkaufte Konrad I. Pfalzgraf von Tübingen, Schainbuch, den Vorst und den Wald, mit allen Leuten, Gütern, Dörfern, Weilern, Aecker, Wiesen, Wasser, Holz, Feld und besonders den Wildbann in demselben, an die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg, um 9600 Pfund Heller (s. Schmid, Pfalzgrafen von Tübingen S. 437).

Das Kloster behielt seine Nutzungsrechte, ebenso die Schönbuchsorte (Schönbuchsgenossen), die erst in den 20ger Jahren dieses Jahrhunderts durch Abtretung von Waldungen von Seiten des Staats an die betreffenden Gemeinden aufgehoben wurden.

Wir fragen nun, wie mag es in dem Schönbuch und dessen Umgebung zur Zeit der Römer und alten Germanen ausgesehen haben? Hievon schweigt die Geschichte, dagegen reden noch viele Ueberreste der grauen Vorzeit, die uns dieser Wald bis jetzt sorglich bewahrt hat. Sie sind sämmtlich von mir selbst untersucht und größtentheils auch entdeckt worden; manche interressante Mittheilungen, die nächste Umgegend von Bebenhausen betreffend, verdanke ich der Güte und Aufmerksamkeit des Herrn Oberförsters Tscherning[1] in Bebenhausen.

Um diese Fundorte nicht alle näher beschreiben zu müssen und überhaupt eine belehrende Uebersicht von diesem klassischen Boden zu geben, habe ich eine Karte[2] entworfen und meiner Beschreibung beigegeben; denn Zeichnungen ersparen Worte.

Ein Blick auf die Karte zeigt uns, wie diese Gegend nach allen Richtungen mit römischen Straßen durchzogen war und nahe oder in einiger Entfernung von denselben römische Wohnplätze, Altäre, Denksteine, Verschanzungen etc. sich befanden. Ebenso erfahren wir die Stellen, an denen altgermanische Grabhügel, Reihengräber etc. vorkommen.


[1] [Siehe Tscherning-Gedenkstein.]

[2] [Die mehrfach erwähnte Karte ist im Scan der Vorlage leider nicht enthalten.]


[006]

Beginnen wir mit den römischen Ueberresten, so ist bei Sindelfingen der Punkt, an dem sich der nahmhafteste Straßenknoten entwickelt. Wo viele Straßen zusammenlaufen, da stand ein Ort von Bedeutung, was nun auch bei Sindelfingen zutrifft. Der südliche Theil der ziemlich eben gelegenen Stadt heißt noch heute auf der Burg, und an diese stößt ein Ackergelände, das „zu Aldingen (Altingen)“ genannt wird.

Hier soll nach der Volkssage der Ort Aldingen gestanden sein und noch führt eine alte Straße von Dagersheim herkommend zu dieser Stelle, welcher der „Aldinger Weg“ genannt wird; auch ein nahe gelegener Walddistrikt trägt den Namen „Aldinger Wald“.

Man stößt auf der Flur „zu Aldingen“ gegenwärtig noch auf Mauerreste, deren Richtungen sich theilweise noch auf der Oberfläche zu erkennen geben. Eine von mir vorgenommene Untersuchung hat hier einen ehemaligen römischen Wohnplatz nachgewiesen (s. die Schriften des Württembergischen Alterthums-Vereins 2. Heft, S. 30). Unfern dieser Stelle, auf der andern Seite des hier vorbeifließenden Goldbachs, soll am Fuß des Goldbergs ein Schloß gestanden sein; auch hier finden sich unter der Oberfläche noch Gebäudereste, in deren Nähe ein römischer Altar mit zwei in die Toga gehüllten männlichen Figuren und nur wenige Schritte von dieser Fundstelle ein 6 Zoll langes Schwein von Bronze ausgegraben wurden. Beide Gegenstände gingen leider verloren, dagegen hat sich ein ebenfalls hier gefundenes römisches Bildwerk, das ich an der Außenwand eines Hauses in Sindelfingen entdeckte, noch erhalten. Das Bild stellt in Hautrelief die beflügelte Victoria vor, welche mit der linken Hand eine Tafel auf einem Altar hält, während sie mit der rechten auf die Tafel schreibt. *) (Siehe die Zeichnung auf S. 7.)

Ueberdieß entdeckte ich in der Nähe von Sindelfingen noch mehrere abgegangene römische Wohnplätze (s. die Karte), die sich durch Mauerreste, römische Ziegel, Heizröhren, Fragmente von romischen Gefässen etc. als solche hinlänglich bekundeten.

Diese zahlreichen Funde, verbunden mit dem namhaften römischen Straßenknoten, zeugen für eine wichtige römische Niederlassung bei Sindelfingen, welche, wie es scheint, nach Vertreibung der Römer noch längere Zeit von den Alemannen bewohnt und erst, nachdem sich allmälig Sindelfingen bildete, verlassen wurde.

Etwa 1 Stunde südostlich von Sindelfingen, an der sogenannten Börstlacher Brücke, wo sich zwei römische Straßen kreuzen und nach der Volkssage ein Ort „Börstlach“ gestanden sein soll, fand man in dem Staatswald Pfaffensteig, nahe der Stelle des ehemaligen Orts, eine


*) Im K. Antiquarium zu Stuttgart aufgestellt.


[007]
Abbildung
2′ 6″ 5‴ hoch und 2′ 1″ breit.
römische Speerspitze von Bronze, was mich veranlaßte, auf diesen Punkt aufmerksam zu machen, und dieser Vorsicht verdanke ich, daß ich im Jahr 1834 in Besitz einer bronzenen Statuette des Jupiters (nach anderen eines Neptuns) kam. *) Das Bild ist 8″ hoch, aus Bronze hohl gegossen und von ausgezeichneter Schönheit; es wurde unter dem Wurzelstock eines Buchenstammes gefunden, bei dem Ausgraben desselben aber theilweise verstümmelt. (Siehe die Zeichnung auf S. 8.)

Im Jahr 1837 ließ ich an der Stelle des abgegangenen Orts nachgraben und fand die Ueberreste eines römischen Töpferofens mit dem wohl erhaltenen, gewölbten Schürloch und nebenbei eine Menge Fragmente römischer Gefässe, worunter mehrere von Sigelerde sich befanden, die theilweise noch die Töpferstempel enthielten. Ueberdieß finden sich daselbst


*) Die Speerspitze und die Statuette von Jupiter sind dem K. Antiquarium zu Stuttgart einverleibt worden.


[008]
Abbildung
noch Mauerreste unter der Oberfläche, von denen schon öfters ausgebrochen, und die gewonnenen Steine zu Straßenmaterial verwendet wurden. Auch die römische Straße, welche von hier zu der Niederlassung bei Sindelfingen führte, ist theilweise mit ihrem gepflasterten Straßendamm noch sichtbar (s. auch die Schriften des Württemb. Alterthums-Vereins 2. Heft, S. 5 ff.).

Die auf einem freistehenden Hügel erbaute Stadt Böblingen, bei der sich zwei Römerstraßen kreuzen, ist ohne Zweifel auf irgend einen römischen Wohnplatz gegründet, welcher mit der Niederlassung bei Sindelfingen in enger Verbindung stand; unfern (südlich) derselben wurde an der nach Holzgerlingen ziehenden Römerstraße ein römischer Altar [009] aufgefunden, Mercurius mit dem Mantel (Caduceus), einen Bock links zu seinen Füßen, darstellend. *)

Abbildung

Etwa 1/4 südwestlich dieser Fundstelle wurden im Jahr 1849 auf der sogenannten Diezenhalde zwei räthselhafte, eiserne Gegenstande ge funden, die für Wurfpfeile, welche man mittelst der Ballista warf, erklärt wurden; sie sind 10 Pfund schwer, 4kantig, 1′ 3″ 5‴ lang, 2′ 5″ hoch und an beiden Enden zugespitzt. (Ein Exemplar befindet sich in der Sammlung des Verfassers.)


*) Dasselbe ist 5′ 2″ hoch und wird im K. Antiquarium zu Stuttgart aufbewahrt.


[010]
Abbildung

In der Nähe der von Böblingen nach Holzgerlingen unter der Benennung „Mönchweg“ führenden Römerstraße wurde im Jahr 1848 auf dem sogenannten Schützenbühl, etwa 1/4 Stunde nördlich von Holz­gerlingen, ein merkwürdiges Bildwerk mit Janusartigem Doppelkopfe gefunden (s. hierüber die Schriften des Württembergischen Alterthums-Vereins Heft 3. S. 25).

An der nördlichen Außenwand der nun abgebrochenen Kirche zu Schönaich war ein römisches Bildwerk, drei männliche Figuren darstellend, eingemauert, das bei dem Umbau der Kirche leider zu Grunde ging.

Etwa 3/4 Stunden nordöstlich von Schonaich liegt das sogenannte Burgerwiesle (d. i. Burgwiesle). Das Volk nennt diese Stelle „bei dem Zwei-Jungfernstein“ und erzählt, daß zwei Mädchen einst in strenger Winterszeit von Schönaich nach Rohr in den Lichtkarz gegangen, und hier erfroren seien; zum Gedenken an diese Begebenheit seien hier die zwei Mädchen, von denen eine den Spinnrocken in der Hand halte, auf einem Stein abgebildet worden.

Ich untersuchte diesen Punkt näher, und fand außer Mauerresten, römischen Ziegeln, gut behauenen Steinen etc., den längst mit Moos und Flechten dicht überwachsenen, tief in den Boden eingesunkenen sogenannten Zwei-Jungfernstein, ein aus grobkörnigem Keupersandstein roh gearbeitetes Relief, von der Größe zweier Quadratschuhe, zwei weibliche Figuren (wohl Diana und ihre Nymphe) darstellend. Den von der Diana gehaltenen Jagdspeer hielt das Volk für einen Spinnrocken und bildete sich oben angeführte Sage. (S. die Zeichnung auf Seite 11.)

Bei der 3/4 Stunden nordöstlich von Weil im Schönbuch gelegenen Todtenbach-Mühle, in deren Nähe man schon alte Gräber entdeckte, ließ ich Untersuchungen anstellen, und fand Mauerreste, Bruchstücke von römischen Heizröhren, Gefässen und römischen Ziegeln, von denen einer noch vollständig erhalten war, und die deutlich abgedrückten Fährten eines Rehbocks enthielt; ohne Zweifel nahm dieser flüchtige Waldbewohner seinen Weg über die auf den Boden gelegten, noch ungebrannten Ziegelplatten, und hinterließ auf diese Weise seine Spur der späten Nachwelt. (In der Sammlung des Verfassers.) Vor etwa 30 Jahren wurde auf dieser Stelle eine 11/2 Fuß hohe und 1 Fuß breite Steinplatte ausgegraben, auf der zwei menschliche Figuren und über diesen eine Eule abgebildet waren.

[011]
Abbildung

Von letzterer Stelle, etwa 1/2 Stunde südöstlich, liegt an der Landstraße von Waldenbuch der sogenannte Braunacker, ein rings mit Wald umgebenes Feldstück; hier soll nach der Sage ein Ort gestanden und später versunken sein. Ganz nahe dieser Stelle wurde ein römischer Altar aufgefunden, der durch die Güte des Stadtschultheißen Wider zu Waldenbuch in meine Hände kam und nun in dem K. Antiquarium zu Stuttgart aufgestellt ist.

Abbildung
1′ 8″ 7‴ hoch und 1′ 9‴ breit.
[012]

An der südlichen Seite des Braunackers liegt im Walde eine viereckige Schanze, von der jede Seite 80 Schritte lang ist, während der sie umfassende Wall eine Höhe von 4–5′ und eine Breite von 10′ hat; der an der südwestlichen Seite angebrachte, noch deutlich erkennbare Eingang ist 4′ breit. Ob diese Schanze römischen oder germanischen Ursprungs ist, will ich vorläufig unentschieden lassen.

Eine ähnliche Schanze befindet sich etwa 1/4 Stunde nördlich von Einsiedel, im Staatswald „Wolfsgartenklinge“; sie bildet einen im Viereck aufgeworfenen Wall an dessen Außenseiten ein Graben hinzieht. Die Länge der nordöstlichen Wallseite und die mit ihr parallel laufende südwestliche Seite beträgt 400′, dagegen die der nordwestlichen und südöstlichen Seite 420′. Die Höhe des Walls bewegt sich von 5–9–11, an der Innenseite von 2′ 5″–3′. Die Breite des Grabens beträgt 16′. An der südöstlichen Seite befindet sich der Eingang in die Schanze, und von der südwestlichen Seite lauft ein 300′ langer 5–6′ hoher Wall gegen ein in der Nähe ziehendes Thälchen.

Von dem Braunacker 1/2 Stunde östlich, und von der Glashütte 1/4 Stunde südlich, wurden in dem Staatswald „Drehener Schachen“ erst in neuerer Zeit die Grundmauern eines römischen Gebäudes aufgefunden, das 23 Schritte lang, und 15 breit war; die Mauerdicke beträgt 2′. Das Gebäude bestand aus zwei Gelassen, von denen das kleinere nur 7 Schritte breit und 15 Schritte lang, eine Heizeinrichtung (Hypocaustum) hatte, während das andere nicht heizbar war. Das noch gut erhaltene Hypocaustum bestand aus 2′ hohen Säulchen, die je 1′ 5″ von einander und auf dem gewachsenen Boden standen. Die aus grobkörnigem Keupersandstein roh gearbeiteten Säulchen waren mit Sandsteinplatten gedeckt, und über diesen lag erst der aus Estrich bestehende Zimmerboden. Unter dem Gebäudeschutt befanden sich viele römische Ziegel, Heizröhren und Gefässefragmente. Die in der Heizung gefundene Kohlen waren sämmtlich von Eichenholz.

Von diesem römischen Wohnplatz, etwa 3/4 Stunden östlich, wurde in dem Walde „Neuhauser Wand“ im Jahr 1857 das lebensgroße Bild eines Mercur in Basrelief aufgefunden, aber leider zerschlagen, und theilweise zu einer Dohle verwendet. Der untere Theil von dem Leibe bis zu den Vorderfüßen, welchen ich durch die Güte des Herrn Oberförsters Tscherning in Bebenhausen erhielt, befindet sich nun in dem K. Antiquarium zu Stuttgart. Auf der rechten Seite des Bildwerks sieht man noch den Beutel und undeutliche Reste des Bocks. (Siehe die erste Zeichnung auf Seite 13.)

In der Nähe von Neuenhaus fand man ebenfalls in neuerer Zeit das Fragment eines Mercurs, das dem K. Antiquarium einverleibt wurde. (Siehe die zweite Zeichnung auf Seite 13.)

[013]
Abbildung
2′ 3″ hoch und 2′ 4″ 5‴ breit.
Abbildung
3′ 5″ hoch und 1′ 7″ 5‴ breit.
[014]

Etwa 3/4 Stunden nördlich von Einsiedel wurde auf der sogenannten „Dachswiese“ ein weiteres Bild des Mercur aufgefunden (nunmehr in dem K. Antiquarium aufgestellt).

Abbildung
4′ 6″ hoch und 1′ 9″ breit.

An der Kirche zu Pliezhausen links am Eingang in dieselbe ist ein Basrelief, die ganze Figur Mercurs darstellend, mit Flügeln auf dem Haupt, den Flügelstab in der Linken und über den linken Arm einen leichten Ueberwurf. Das Bild ist in eine Nische etwas eingesenkt, welche den größten Theil eines 41/2″ hohen und 1′ 61/2″ breiten Steins einnimmt.

Rechts von dem Eingang in die Kirche zu Kusterdingen ist ein vierseitiger, 2′ 91/2″ hoher, 81/2″ breiter und 9″ dicker römischer Altar aufgestellt mit der Inschrift.

[015]
Abbildung
Jovi Optimo Maximo et Junoni Reginä sacrum. Junius Paternus et Proclus libens lubens merito. (s. hier. Württemb. Jahrbücher Jahrgang 1835, Heft I. S. 111).

Auch zu Tübingen befand sich ein nun ganz verschwundener Altar mit folgender Inschrift:

Abbildung

von Pauly ergänzt und erklärt diese Inschrift folgendermaßen:

Abbildung

(Siehe hierüber auch Württ. Jahrbücher Jahrg. 1835 Heft I. S. 109.)

Auf der sogenannten Bannwaldplatte, 1/4 Stunde südöstlich von dem Schaichhof, wurden im Jahr 1857 bei Ausstockung einer Waldfläche mehrere zerstreut liegende Schutthaufen aufgefunden, die aus unbehauenen Mauersteinen, römischen Ziegeln, Backsteinen, Heizröhren, Gefässefragmenten etc. bestanden. Die Gefässe scheinen nach den zahlreich aufgefundenen Resten auffallend groß gewesen zu sein, namentlich die Amphoren, von denen sich viele Mündungen mit Henkeln und Bruchstücke vorfanden.

Außer diesen fand man viele Fragmente von schüssel- und tellerartigen Gefässen, meist aus rauher Masse, mit wulstigen umgeschlagenen Rändern und theilweise mit Schnauzen zum Abgießen versehen; ferner kamen mittelfeine rothe, schwarze und gräulich schwarze Gefässe nicht selten zum Vorschein und nur vereinzelt zeigten sich Bruchstücke von Gefässen aus Sigelerde mit Verzierungen; eines mit dem Rest eines Töpferstempels (VS. F.). Auch ein Mahlstein von einer Handmühle wurde gefunden. Unter einer Steinplatte lagen sorglich zusammengelegt eine schön [016] gearbeitete, auffallend schmale, eiserne Speerspitze, eine Messerklinge und eine eiserne, 21/2 Pfund schwere, 1′ 5″ lange und 8″ breite Gabel, nebst einem 2″ 5‴ weiten eisernen Ring, mittelst dessen die Gabel an den Schaft befestigt war.

Abbildung

Auf dieser Stelle ließ ich an verschiedenen Punkten nachgraben und erhielt immer nur roh zugerichtete Mauersteine und Fragmente von römischen Gefässen, Ziegeln etc., dagegen durchaus keine Spuren von Mörtel, Estrich, Wandverkleidungen etc., was mich auf die Vermuthung leitete, es möchten hier leicht gebaute Töpferhütten gestanden haben. Diese Ansicht wird nicht nur durch die so zahlreich aufgefundenen Töpferwaaren, sondern auch durch die hier vorkommende sehr gute Töpfererde unterstützt. Auch befindet sich ganz in der Nähe der Fundstelle eine reichliche Quelle, die das nöthige Wasser lieferte.

Die aufgefundene Gabel scheint zum Schüren des Feuers oder zum Ein- und Ausheben der großen Gefässe gedient zu haben.

Was nun die weiteren auf der Karte angegebenen Römerorte betrifft, so sind diese sämmtlich von mir selbst entdeckt und genau untersucht; sie befinden sich meist auf Stellen, deren Benennungen auf irgend einen abgegangenen Wohnort hinweisen, wie z. B. auf dem alten Weiler, in Weilerfeld, beim Hof, auf dem Hoffeld, auf Mauren, auf den [017] Mauren­äckern, beim Schloß, Schlößle, auf der Burg, Bürg u. s. w. (s. auch meine Beschreibung „die Römerstraßen mit besonderer Rücksicht auf das römische Zehentland“, 4. Heft der Schriften des Württembergischen Alterthums-Vereins S. 22 ff.). Auf dergleichen Stellen fand man regel­mäßig Mauerreste, zerstörte Hypocausten, Estrichböden, römische Münzen etc. unter der Oberfläche, während mir schon die Besichtigung der Oberfläche stets römische Ziegel, Bruchstücke von Heizröhren, römischen Gefässen etc. lieferte, welche die hier bestandenen Römerorte außer Zweifel setzten.

Die Wohnorte bestanden theils nur aus einzelnen, theils aus mehreren Gebäuden, die zuweilen einen Raum von 8–10 Morgen einnahmen (s. die Karte, auf der sie genau unterschieden sind). Bei den meisten fand man vorherrschend Bruchstücke von gewöhnlichen römischen Gefässen und nur wenige von Sigelerde, an anderen Stellen waren die Funde von den letzteren häufiger, wie z. B. auf dem sogenannten Schloß nördlich von Stetten, wo man neben vielen Gefässefragmenten von Sigelerde, auch bemalte Wandreste etc., und Souterrains, zu denen steinerne Treppen führten, auffand.

Nach den vorkommenden Gefässeüberresten läßt sich nun auf die Wohlhabenheit der früheren Bewohner schließen und unterscheiden, ob diese abgegangenen Gebäude etwa Villen wohlhabender Römer, oder nur von gewöhnlichen Feldbau treibenden Leuten bewohnte Gehöfte waren.

Wir würden irren, wenn wir diesen zahlreichen römischen Wohn­plätzen durchgängig eine militärische oder ausschließlich eine bürgerliche Bedeutung zuschreiben wollten. Gegen die erstere Ansicht spricht schon theilweise die Lage der Wohnplätze, welche bei den meisten nicht in dem strategisch wichtigen Terrain, sondern mehr in den günstigen Boden­verhältnissen bedingt ist. Wir müssen daher Niederlassungen, welche weder auf dominirenden Terrain, noch an Gewässerübergängen, sondern an warmen, sommerlichen Stellen liegen, in deren Nähe eine frische Quelle sich befindet und die Bodenverhältnisse günstig sind, ohne Bedenken als bürgerliche Niederlassungen betrachten.

Wenn aber die Bedingungen für eine bürgerliche Niederlassung nicht zutreffen, dagegen dieselbe mehr strategischen Zwecken entsprechen, dann dürfen wir eine derartige Niederlassung für eine militärische ansehen. Nicht selten haben sie beiden Zwecken gedient und waren befestigte bürgerliche Niederlassungen. Dafür sprechen auch die noch bestehenden Benennungen derartiger Stellen, wie auf der Burg, Bürg, auf den Burgäckern etc., was auf irgend eine ehemalige Befestigung hinweist, während die Namen Weiler, Hof etc. mehr eine bürgerliche Niederlassung verrathen. Wir haben es demnach mit dreierlei Wohnplätzen zu thun, mit rein bürgerlichen, mit rein militärischen und mit bürgerlich-militärischen.

[018]

Häufig waren militärisch wichtige Punkte nur verschanzt und die eigentlichen Niederlassungen lagen an wohnlichen Stellen in größerer oder geringerer Entfernung von diesen Befestigungen.

Dergleichen Befestigungen finden wir auf der sogenannten Federles­mad bei Echterdingen, bei dem Braunacker, im Wald Wolfsgarten-Klinge bei Einsiedel etc., von denen allerdings nicht entschieden nachgewiesen werden kann, daß sie wirklich römischen Ursprungs sind; da sie jedoch in der Nähe von römischen Niederlassungen auf dominirenden Punkten liegen und man bei denselben schon römische Münzen etc. fand, so läßt sich mit ziemlicher Gewißheit annehmen, daß sie aus der römischen Periode stammen.

Auf Eschach und Birkensee (d. i. Bürgsee), dem höchsten Punkte des Schönbuchs, welcher die Umgegend weithin beherrscht, soll nach der Volkssage eine Stadt gestanden sein, von der übrigens keine Spur mehr aufzufinden ist. Dagegen führt von Altdorf eine römische Straße bis auf die höchste Kuppe dieses Punkts, so daß sich wohl annehmen läßt, daß die Römer diesen strategisch wichtigen Punkt benützt und hier irgend einen Wachposten oder eine Befestigung angelegt hatten. Ueberdieß wurden hier schon römische Hufeisen, eine steinerne Handmühle und sehr alte Gefässe aufgefunden; ob letztere römischen oder frühgermanischen Ursprungs waren, kann ich nicht verbürgen, weil ich sie selbst nicht zu Gesicht bekam.

An der oben erwähnten, nach Eschach und Birkensee führenden Römerstraße wird, etwa 1/4 Stunde nordwestlich von dem höchsten Punkte des Bergs, eine Stelle „der Eselstritt“ genannt; hier zeigt man Vertiefungen in dem daselbst anstehenden Sandsteine, welche für Fährten des Esels gehalten werden, auf dem einst Christus diesen Weg zurücklegte. Diese sogenannten Fährten sind natürliche Vertiefungen, die nur mit Hilfe einer lebhaften Phantasie für Eselstritte gehalten werden können. Uebrigens zeugt diese Sage für das hohe Alter der Straße, wie für die Wichtigkeit des Punkts, und liefert abermals den Beweis, daß Volkssagen, wenn sie auch noch so märchenhaft erscheinen, doch immer dem Alterthumsforscher einige Fingerzeige geben.

In Beziehung der auf der Karte angegebenen Römerstraßen habe ich zu bemerken, daß die Spuren derselben nicht fortlaufend, sondern nur streckenweise getroffen werden, indem sie auf den Feldern entweder ganz ausgebrochen oder zum Theil überbaut wurden. In den Waldungen sind die alten Römerwege meist mit Holz bewachsen und der ehemalige gepflasterte Straßendamm ist nur stellenweise noch sichtbar, während derselbe in den meisten Fällen in Folge der sich erzeugenden Dammerde 11/2–2′ unter der Oberfläche getroffen wird. Nicht selten dienen die ursprünglichen Römerstraßen noch gegenwärtig als Feld- und Waldwege, [019] oder sie wurden in Land- und Vicinalstraßen umgeändert, so daß sie nur noch an ihrer Führung und Anlage, hauptsächlich aber an den Benennungen, welche an ihnen kleben, als Römerstraßen erkannt werden können. Einen weiteren Beweis für ihren römischen Ursprung liefern die Reste römischer Wohnplätze, Denkmale etc., welche man zunächst an den Straßen oder in geringer Entfernung von denselben findet. Nach diesen und anderen Merkmalen *) habe ich nun die auf der Karte angegebenen Römerstraßen mühsam aufgefunden. Uebrigens bin ich fest überzeugt, daß es mir bis jetzt noch nicht gelungen ist, sämmtliche den Schönbuch und dessen Umgegend durchziehenden Römerwege zu entdecken, vielmehr glaube ich, daß noch weit mehr Straßen, namentlich minder bedeutende, vorhanden waren, welche die vielen in dieser Gegend vorkommenden Römerorte nicht nur unter sich selbst, sondern auch mit den Hauptstraßen und bedeutenderen Niederlassungen in Verbindung setzten.

Nachdem ich nun das Wesentlichste über die römischen Ueberreste in der Schönbuchsgegend angedeutet habe, gehe ich zu den altgermanischen (keltischen) Spuren über. Es sind dieß vorzugsweise Grabhügel, welche uns die Waldungen bis auf den heutigen Tag geschützt und bewahrt haben. **)

Blicken wir auf die Karte, so überraschen die vielen Grabhügelgruppen; bedenken wir aber, daß sämmtliche nur in den Waldungen vorkommen, während wohl eben so viele oder noch mehr auf den Feldern der Kultur weichen mußten, so dürfen wir an einer zahlreichen, altgermanischen Bevölkerung in dieser Gegend nicht mehr zweifeln. Die Ansicht, daß dergleichen Hügel nur solche decken, die in Schlachten fielen, kann ich nicht theilen; ich glaube vielmehr, daß manche der Hügelgruppen für friedliche Leichenfelder anzusehen sind, auf denen unsere Voreltern ihre Verstorbenen in der Nähe ihrer Wohnsitze zur Erde bestattet haben. Hiefür spricht schon die regelmäßige, Zeit und Mühe raubende Art und Weise der Bestattung, welche sich während des Kampfes oder nach demselben nicht wohl hätte ausführen lassen. Nur dann, wenn die Germanen Sieger blieben, und das erungene Terrain für einige Zeit unangefochten behaupten konnten, ist es denkbar, daß sie ihre Gefallenen auf eine Weise bestatten konnten, wie wir sie bei den meisten Grabhügeln ausgeführt finden.


*) S. meine Abhandlung „die Römerstraßen mit besonderer Rücksicht auf das römische Zehentland“ in dem IV. Heft der Schriften des Württemb. Alterthums-Vereins.

**) Die auf der Karte angegebenen Gruppen zeigen nur die Stellen, auf denen sich Grabhügel finden, nicht aber die Zahl derselben, welche in den meisten Fällen größer ist, und wegen des kleinen Maßstabes der Karte nicht voll angegeben werden konnte. An Punkten aber, auf denen nur 1–6 Grabhügel vorkommen, ist die Zahl derselben genau eingezeichnet.


[020]

Was nun die Grabhügel selbst betrifft, so finden wir dieselben meist auf den Höhen, weniger in Thäler und Niederungen; dieser Umstand darf aber nicht zu der Annahme leiten, als ob unsere Voreltern vorzugsweise nur die Höhen zu ihren Grabstätten erwählt hätten; auch in den Thälern und Niederungen kommen Grabhügel vor, und mögen früher noch in weit größerer Anzahl vorhanden gewesen sein, allein gerade die Thäler und Niederungen sind weniger mit Wald bestockt, sondern meist für den Feldbau benützt, dem die Leichenhügel im Laufe der Zeit weichen mußten. Ein Beispiel liefert uns die Todtenhügelgruppe in dem in der Niederung gelegenen Wald „Hardt“ bei Entringen (s. die Karte).

Ferner scheint auch das Vorkommen der Grabhügel in den Bodenverhältnissen bedingt zu sein, indem z. B. auf mageren, humusarmen Keupersandboden nur wenige Leichenhügel getroffen werden, während sie in humusreichen Gegenden so häufig erscheinen. Einen sprechenden Beleg hiezu liefert die reich bewaldete Gegend nordwestlich von Bebenhausen, wo meist der grobkörnige Keupersandstein auftritt und die Grabhügel gänzlich fehlen, während sie auf anderen humusreicheren Stellen der Umgegend in Menge vorhanden sind.

Der Grund dieser Erscheinung liegt entweder in dem Mangel an Material, das zum Aufwerfen der Hügel nöthig war, oder in der Unergiebigkeit des Bodens, auf dem sich unsere Voreltern nicht ansiedeln mochten und dagegen fruchtbareren Gegenden den Vorzug gaben. Auch diese Umstände deuten auf eine friedliche Bestattung der Leichen, indem sich nicht annehmen läßt, daß die Kriege nur auf günstigen Bodenarten geführt, oder die Gefallenen nach irgend einem Treffen auf Stellen getragen wurden, die das zur Beerdigung nöthige Material lieferten.

Was die Größe der Todtenhügel betrifft, so ist diese sehr verschieden, indem die Höhe der Hügel von 2–15′ und der Durchmesser derselben von 30–80′ wechselt; die häufigste Höhe beträgt 4–7′, während 12–15′ hohe Hügel zu den Seltenheiten gehören und nur an 5 Punkten, 1) auf der hohen Wart bei Musberg, 2) der Dachsbühl im Darmsheimer Gemeindewald, 3) der Henenbühl (Hünenbühl) im Böblinger Stadtwald, 4) im Staatswald, Schlaitdorfer Viehwald und 5) westlich von Neuenhaus vorkommen. Dergleichen auf dominirenden Punkten gelegenen Hügel waren ohne Zweifel Wachhügel, oder Leichenhügel, welche zugleich als Späheposten dienten.

Von den auf der Karte eingezeichneten Grabhügeln, welche ich alle selbst gesehen und größtentheils entdeckt habe, ließ ich viele öffnen und fand im Allgemeinen die sich so häufig wiederholenden Bronzeringe, Bruchstücke von verschiedenartigen Gefässen, meist außen roth oder braun, im Bruche aber schwarz, Reste von eisernen Gerätschaften und Waffen etc.

Da es zu weit führen würde, wenn ich die Ergebnisse meiner [021] Forschungen mit ihren Einzelnheiten anführen wollte, so folgen hier nur einzelne der interessanteren Untersuchungen.

1. Auf der sogenannten Federlesmad, einem hohen bewaldeten Bergrücken, 1/2 Stunde südwestlich von Echterdingen, liegen regellos zerstreut etwa 25 Grabhügel und auf dem höchsten Punkte des Bergs befindet sich die sogenannte Riesenschanze, auch der Heidengraben genannt; sie bildet ein Quadrat, von dem jede Seite 120 Schritte lang ist, während die Höhe des Walls 4′ beträgt.

Das Volk weiß viel Fabelhaftes von dem Riesen, der hier gehaust haben soll, zu erzählen, und rühmt besonders seinen großen Appetit; er soll jeden Tag, neben vielen anderen Speisen, 2 Kälber verzehrt haben, welche ihm die Bewohner von Echterdingen liefern mußten. Wenn dieses unterblieb, dann habe er Centner schwere Steine von seiner Schanze in das 1/2 Stunde entfernte Ort geworfen. Während einer großen Theurung sei er endlich Hungers gestorben.

Von den nahe der Riesenschanze liegenden Todtenhügeln ließ ich einen der größten (40′ im Durchmesser und 6′ hoch) öffnen und fand auf der Sohle des Hügels 2 ovale Bronzeringe, deren großer Durchmesser je 3″ 7‴, der kleinere 3″ 2‴, die Dicke des Rings selbst 3‴ betrug; sie lagen 2″ weit von einander, die kleineren Bögen entgegen gekehrt.

Abbildung

Etwa einen Fuß westlich von diesen Ringen wurde eine runde, 3″ lange Speerspitze von Eisen gefunden, in deren Höhlung noch Reste von dem Speerstock sich erkennen ließen. Zunächst dieser Speerspitze lagen Bruchstücke von einem eisernen Schwert. Von den ovalen Ringen 3′ südlich kamen etwa 1′ über der Sohle des Hügels 2 goldene Ringe zum Vorschein, die in gleicher Höhe 2′ von einander entfernt lagen. Die Ringe sind hohl und bestehen aus zusammengebogenem Goldblech (siehe die Zeichnung in wirklicher Größe).

Abbildung
[022]

2. In dem Walde „Weilerhau“ etwa 600 Schritte westlich von dem Pfarrdorfe Plattenhardt liegen gegen 30 Todtenhügel, von denen ich 4 öffnen ließ. Diese Untersuchung lieferte im Allgemeinen Fragmente von Gefässen, Bronzeringen, Fibeln, eine Haarnadel, viele zerstreut vorkommende Kohlen etc. und nur in einem Hügel fand man überdieß noch Reste von einem eisernen, schön geformten Gefäß, und viele eiserne Nägel mit runden Bronzeknöpfchen.

An den Weilerhau grenzt gegen Südwesten der Wald Bildhau, in welchem etwa 30 Todtenhügel sich befinden; bei Eröffnung eines derselben fand man neben mehreren Arm- und Fußringen, einen Leibring und an diesem viele angefaßte kleinere Ringe, mittelst derer ohne Zweifel die angeheftete Leibschürze hin und her geschoben werden konnte.

3. Etwa 1/2 Stunde südwestlich von Böblingen liegen unfern der alten Bürg, in dem Gemeindewald „Brand“ 10 Grabhügel, welche eine Höhe von 6–8 Fuß und einen Durchmesser von 30–40′ haben. Von diesen Leichenhügeln ließ ich zwei öffnen und fand in dem einen, neben vielen Gefässefragmenten ein in der Mitte des Hügels künstlich zusammen­gesetztes Steinlager und zunächst desselben 9 mit regelmäßigen Einschnitten versehene Ringe von Bronze; sie waren fest auf einander gesetzt und hatten je 11/2″ im Durchmesser. Ueberdieß wurden noch Bruchstücke von eisernen Waffen und ein goldenes Knöpfchen gefunden. Der zweite Hügel enthielt in der Mitte ein künstlich zusammengesetztes, 3′ hohes und 6′ breites Steinlager, auf dem sich die Brandplatte durch eine Menge Kohlen und Asche bekundete. Mitten auf der Brandplatte stand ein roh gearbeitetes irdenes Gefäß mit einer kleinen Handhabe, in Größe und Form einer bauchigen Kaffeetasse ähnlich. Außer diesen Gegenständen war im ganzen Hügel nichts mehr zu finden.

Die Volkssage, daß hier die Alten vor undenklichen Zeiten ihre Opferaltäre gehabt hätten, verdient hier bemerkt zu werden.

4. Nur wenige hundert Schritte von der oben erwähnten römischen Niederlassung auf der sogenannten Bannwaldplatte befinden sich 4 Grabhügel, von denen ich einen 5′ hohen und 78′ im Durchmesser haltenden öffnen ließ. In der Mitte des Hügels traf man 2′ unter der Oberfläche auf ein regelmäßig zusammengesetztes Steinlager, auf welchem die Brandplatte noch deutlich wahrgenommen werden konnte. Um diesen Brandaltar lief ein 30′ im Durchmesser haltender, aus Liassandsteinplättchen bestehender Steinring. Bei näherer Untersuchung zeigte sich, daß dieser Steinring ringsum aus Gräber bestand, die mit Steinplatten umfriedigt und gedeckt waren. Bei den nur theilweise noch erhaltenen Skeletten fand man einzelne, ganz einfache Bronzeringe, Fragmente von eisernen Waffen und von thönernen, roh gearbeiteten Gefässen (s. den Grundriß des Hügels).

[023]
Abbildung

Noch habe ich einige Untersuchungen zu erwähnen, die von Alterthumsfreunden an Grabhügeln in dem Schönbuch angestellt wurden.

Der verstorbene Revierförster Bechtner zu Weil im Schönbuch ließ mehrere Hügel in den Waldungen des Reviers Weil im Schönbuch aufgraben, wobei er im Allgemeinen urnen- und tellerartige, roh gearbeitete Gefässe fand, die jedoch nur in Bruchstücken gewonnen wurden. Um die Gefässe waren beinahe in der Regel Steine aufgestellt, in deren Nähe Kohlen, Asche und halbverbrannte Gebeine lagen. Ueberdieß fanden sich Bronzeringe von 3–6 Zoll im Durchmesser, welche häufig paarweise lagen; die Ringe, namentlich die größeren, waren theilweise mit Knoten oder Querringen verziert. In einem der Hügel kamen 2 goldene Ohrenringe zum Vorschein; sie waren von Goldblech und bildeten Schlangen, welche die Schwanzspitze im Munde hatten. In demselben Hügel wurden auch durchlöcherte Kügelchen von Gagat gefunden.

Auch Fragmente von eisernen, jedoch meist nicht mehr erkennbaren Waffen wurden aufgefunden.

Auf einer Heidefläche, etwa 1/2 Stunde südöstlich von Waldhausen befinden sich 45 Grabhügel, von denen eine Privatgesellschaft zu Tübingen einzelne öffnen ließ. Diese Untersuchungen lieferten im Allgemeinen die gleichen Ergebnisse, wie die vorhergehenden, nur waren sie reicher an Innlagen, indem man hier außer den sich stets wiederholenden Bronzeringen, auch einen Ring von Bernstein, Schwerter, Messer, Lanzenspitzen, Reste von hölzernen, mit Leinwand überzogenen und mit Bronzestreifen beschlagenen Schilden etc. fand. In einem der Gräber kam man unter dem in der Mitte des Hügels zusammengesetzten Steinlager auf ein Skelett, das einen viereckigen Schild auf der Brust hatte; in der Nähe des Halses lagen Gagatperlen und um den rechten Armknochen wand sich ein [024] Bronzering. Zwischen dem Schild und den Rippen zeigten sich Reste von dem verzierten bronzenen Leibgürtel.

Etwa 1/4 Stunde südlich von Rommelsbach kommen mehrere Grabhügel vor, von denen Geometer Schäfer von Rommelsbach einen untersuchte und neben den gewöhnlichen Vorkommnissen, ein goldenes Ringchen, einen Leibring von Bronze und Bruchstücke eines Gürtels fand; der Gürtel bestand aus 5″ langen Stäbchen, welche mittelst kleiner Ringe verbunden waren.

Nach den Funden, die ich nur im Allgemeinen anführte, enthalten die Grabhügel des Schönbuchs neben irdenen roh bearbeiteten Gefässen, vorzugsweise Bronzegegenstände, während die eisernen seltener zu sein scheinen. Uebrigens ist nicht zu übersehen, daß die Gegenstände von Eisen weit mehr der Zerstörung ausgesetzt sind, als die von Bronze und Thon; wir dürfen daher mit Gewißheit annehmen, daß unsere Todtenhügel im Schonbuch ursprünglich mehr eiserne Waffen etc. enthielten, als wir dermalen in ihnen finden. Sehr beachtenswerth sind auch die Gegenstände von Gold, welche in anderen Gegenden Württembergs zu den Seltenheiten gehören. Diese Erscheinung zeugt von der Wohlhabenheit der hier Bestatteten. Waffen und Werkzeuge von Steine fehlen gänzlich. Wenn man also unsere Hügel nach der neuerdings aufgestellten Eintheilung (in die Stein-, Bronze- und Eisenperiode) klassificiren wollte, so würden dieselben in keine derselben ausschließlich eingereiht werden können, indem hier die Bronze wie die Eisengeräthe in ziemlich gleichem Verhältniß vorkommen.

Anders verhält es sich mit den sogenannten Reihengräbern in denen die Bronze selten, dagegen Waffen etc. von Eisen vorzugsweise vorkommen.

Diese Reihengräber, welche unzweifelhaft einer jüngeren Periode als die Grabhügel angehören, kommen auch in der Schönbuchsgegend häufig vor und unterscheiden sich von den Grabhügeln hauptsächlich dadurch, daß sie in den natürlichen Boden reihenweise, entweder unmittelbar, oder mit Steinplatten umfriedigt, eingesetzt sind. Sie enthalten meist neben dem liegenden, zuweilen sitzenden Skelette, eiserne Waffen, als Speerspitzen, Messer, lange, zweischneidige Schwerter, am häufigsten aber kurze, einschneidige Schwerter, sogenannten Sachse. Außer diesen findet man nicht selten Perlen von Thon, Gagat, Bernstein etc. In anderen Gegenden, namentlich in der Nähe von alten Städten, sind dergleichen Reihengräber öfters sehr reich ausgestattet und enthalten verschiedene Schmucksachen von Gold und Silber, seltener von Bronze, von Eisen mit Silber eingelegt; auch reich verzierte Schnallen, Wehrgehänge, Beschläge, Haften, verschiedene thönerne Gefässe etc. kommen vor.

Die Reihengräber finden sich stets in der Nähe der Orte oder gar in denselben (s. die Karte) und waren gewiß nichts anderes als friedliche [025] Leichenfelder, auf welche die früheren Bewohner der jetzt noch bestehenden Wohnorte zur Erde bestattet wurden. Die Ansicht, daß an solchen Stellen Gefechte vorgefallen und die Gebliebenen hier beigesetzt seien, wird schon durch die Lage in der Nähe der Orte, wie durch die regelmäßige, geordnete Beisetzung, hauptsächlich aber dadurch widerlegt, daß man nicht selten unter denselben auch weibliche Grabstätten findet.

Wir haben es hier mit regelmäßigen Begräbnißplätzen zu thun, die vermuthlich Jahrhunderte hindurch als solche dienten; daher auch eine große Verschiedenheit der in denselben aufgefundenen Gegenstände, welche sichtlich älteren und jüngeren Perioden angehören, und überdieß den Standesunterschied, wie den Grad der Wohlhabenheit der Beerdigten bekunden.

Im Allgemeinen dürfte diese Beerdigungsweise mit der fränkischen Periode begonnen haben und Jahrhunderte beibehalten worden sein, bis man endlich zur Beerdigung in Särgen überging.

Ueberblicken wir nun das Ganze noch einmal, und werfen wir einen Blick auf die Karte, so erfahren wir einerseits, daß sich die Römer in den Schönbuch und dessen Umgegend vielfältig angesiedelt hatten, anderseits reden die vielen Grabhügel von einem zahlreichen germanischen Stamme, der sich hier aufhielt, und endlich sprechen die Reihengräber von einer Bevölkerung im frühesten Mittelalter.

Was nun die römische Bevölkerung und Ansiedelung betrifft, so ist es natürlich, daß sie gerade in der Schönbuchsgegend sehr namhaft gewesen sein muß, indem eine ausgedehnte römische Niederlassung bei dem nur einige Stunden von dem Schönbuch entfernt gelegenen Rottenburg bestand, welche durch die rastlosen Forschungen unseres vaterländischen Archäologen, Herrn Domdekan von Jaumann entschieden nachgewiesen wurde (s. von Jaumann Col. Sumlocenne mit zwei Nachträgen). Diesem ausführlichen Werke ist auch eine Karte über die Umgegend von Rottenburg beigegeben, was mich bestimmte, meine Karte nicht bis Rottenburg auszudehnen.

Daß wir in Rottenburg den auf der Peutinger Tafel angegebenen Hauptort Sumlocenne erkennen, ist nicht allein durch den mehrfach daselbst aufgefundenen Namen, sondern auch durch die zutreffenden, auf der Tafel angegebenen Maaße nachgewiesen worden (s. meine Abhandlungen in den Württembergischen Jahrbüchern Jahrgang 1835. 2. Heft. S. 376 ff. und Jahrgang 1837. 1. Heft. S. 177 ff.).

Auch entwickelt sich bei Rottenburg ein römischer Straßenknoten, wie ihn kein anderer bis jetzt bekannt gewordener Römerort in Württemberg aufzuweisen hat. Dieser Umstand stempelt Rottenburg vorzugsweise zu einem Hauptort der Römer, in dessen Nähe sich einst ein reges Leben entfaltete.

Die vielfältigen römischen Ansiedelungen in der Schönbuchsgegend dürfen wir daher nicht ausschließlich als militärische Punkte, sondern [026] vorherrschend als bürgerliche Niederlassungen betrachten, von denen aus das Feld bebaut und die gewonnenen Erzeugnisse einerseits nach der römischen Hauptstadt bei Rottenburg, anderseits nach der bei Sindelfingen gestandenen namhaften Niederlassung (s. oben) abgesetzt wurden. Ohne Zweifel wurden in den kleineren Orten auch Gewerbe getrieben, wofür der entdeckte Töpferofen im Walde bei Böblingen, wie die Töpferkolonie im Walde unfern des Schaichhofs (s. oben) sprechen.

Die Jagd, welche die Römer nicht allein wegen des Vergnügens, sondern auch des Schutzes wegen ausübten, mag in dieser von jeher wildreichen Gegend eine besondere Erwerbs- und Nahrungsquelle gebildet haben.

Was nun die altgermanischen Ueberreste in der Schönbuchsgegend betrifft, so sind es, wie schon gezeigt wurde, hauptsächlich die Todtenhügel, die den Aufenthalt unserer Voreltern bekunden, während wirkliche Wohnplätze bis jetzt nicht erforscht werden konnten, was in der leichteren, weniger soliden Bauart der germanischen Wohnungen, welche mehr aus Hütten bestanden, begründet sein mag.

Die südlich von Aidlingen im Walde „Frohnhalde“ entdeckten Spuren eines Wohnplatzes scheinen aus der Periode der Reihengräber zu stammen. Nach der Volkssage soll daselbst auf einem zwischen zwei unbedeutenden Schluchten hinziehenden Terrainvorsprung der Mönchs­garten genannt, ein Mönchskloster gestanden sein. Eine Untersuchung, die ich an dieser Stelle veranstaltete, förderte eine etwa 30′ lange und 4′ hohe Mauer zu Tage; überdieß fand man Reste eines rothen Estrichbodens, viele auffallend kleine mit Nagellöchern versehene Hohl­ziegel, Bruchstücke von meist viereckigen, mitunter auch cylinder­förmigen Gefässen, letztere von grauem Thon und mit erhabenen Streifen versehen. Einzelne derselben waren von schwarzem Thon, andere außen roth und im Bruche schwarz etc.

Etwa 1/2 Stunde südwestlich von Darmsheim befinden sich in dem Darmsheimer Gemeindewald lang hinziehende Wälle und künstlich gebildete, hinter einander laufende Terrassen, von denen man jedoch wegen des dicht verwachsenen Waldes keine klare Anschauung gewinnen kann. Da aber zunächst dieser Befestigungen und sogar innerhalb derselben mehrere Grabhügel vorkommen, so liegt die Vermuthung ziemlich nahe, daß wir es hier mit einem Wohnplatz oder einer Befestigung aus der altgermanischen Periode zu thun haben.

Es entsteht nun die Frage, welcher Zeit gehören die altgermanischen Ueberreste, insbesondere die Grabhügel an; sind sie vorrömisch, nachrömisch, oder gar mitrömisch, d. i. aus der gleichen Periode, in welcher die Römer unsere Schönbuchsgegend bewohnten.

Bei der Beantwortung dieser Fragen halte ich mich nur an die Thatsachen, an die Zeugen, welche aus dem Boden gegraben wurden. Wenn wir die Karte genau betrachten, so kann uns nicht entgehen, daß [027] römische und altgermanische Ueberreste beinahe regelmäßig bei einander vorkommen. In der Nähe der Römerstraßen, und der römischen Niederlassungen lagern sich die meisten deutschen Todtenhügel etc. und wenn man die aus den römischen Wohnplätzen und aus den Grabhügeln erhobenen Gegenstände nicht vergleichen würde, so müßte man unwillkürlich auf die Ansicht kommen, hier haben die Römer und die von ihnen unterjochten Germanen (Kelten) gemeinschaftlich gehaust. Allein die Gegenstände aus den Todtenhügeln sind in jeder Beziehung von den römischen verschieden, namentlich sind es die Gefässe, die gar keine Aehnlichkeit weder in Form, noch viel weniger aber in Masse und Behandlung mit einander haben. Nun läßt sich aber nicht annehmen, daß zwei Völkerstämme mit einander eine Gegend bewohnten, ohne daß der eine von dem anderen gelernt und sich die Kunstfertigkeit, die Gebräuche etc. des gebildeteren Volksstamms angeeignet hätte. Hievon finden wir jedoch keine Spur, indem sogar Grabhügel, welche die rohesten Gefässe in Form und Masse enthielten, ganz in der Nähe von römischen Töpfer­werkstätten, in denen sogar Gefässe aus Sigelerde gefertigt wurden, getroffen werden.

Auch wurden bis jetzt in keinem der Todtenhügel irgend ein Gegenstand, wie Münzen etc. gefunden, welche man für römische Fabrikate erklären könnte.

Schon nach diesen einfachen Thatsachen dürfen wir nicht annehmen, daß die Todtenhügel in die Zeit des Aufenthalts der Römer im Zehentlande gehören.

Die Ansicht, unsere Leichenhügel gehören einer Periode nach der Vertreibung der Römer an, hat insofern viele Wahrscheinlichkeit, als man aus den nahe bei einander vorkommenden Ueberresten der beiden Völker etwa folgern könnte: die Germanen haben sich der römischen Provinz bemächtigt und in den verlassenen römischen Niederlassungen oder doch in der Nähe derselben angesiedelt. Allein auch in diesem Fall müßte man in den Todtenhügeln, die jedenfalls bald nach der Vertreibung der Römer aufgeworfen worden wären, römische Anticaglien finden; denn zu jener Zeit war die Gegend noch angefüllt von zurückgelassenen Gegenständen, deren sich die nachrückenden Alemanen gewiß bedient hätten.

Wir müssen daher nothwendig zur Ansicht gelangen, daß die Leichenhügel in unserer Gegend der vorrömischen Periode ange­hören.

Dagegen stammen die Reihengräber, wie schon oben gezeigt wurde, unzweifelhaft aus einer Zeit nach der Vertreibung der Römer. Bei ihnen finden wir schon in der Anlage eine Aehnlichkeit mit den römischen Gräbern, indem dieselben ebenfalls in den natürlichen Boden eingesetzt sind, und überdieß Gegenstände enthalten, die schon weit mehr Kunstfertigkeit verrathen, als die in den Todtenhügeln gefundenen. Die Gefässe sind z. B. wohlgeformter und gebrannt, während die in den Grabhügeln [028] vorkommenden nur getrocknet oder mittelst geringen Hitzgrades gefertigt zu sein scheinen. Auch fand man in denselben schon römische Münzen, welche theilweise durchlöchert waren und ohne Zweifel als Anhänger benützt wurden.

Aus diesem geht nun hervor, daß die Schönbuchsgegend von germanischen (keltischen) Stämmen bewohnt war, bevor die Römer in derselben Platz griffen und somit die Römer sich nicht selten an Stellen niederließen, die theilweise schon urbar und wohnbar gemacht waren. Die zweckmäßige Auswahl der für Niederlassungen tauglichen Punkte ist daher nicht ausschließlich den Römern, sondern zuverlässig auch theilweise den Deutschen zuzuschreiben.

Dieß Wenige glaubte ich meiner archäologischen Karte beifügen zu müssen, einerseits um den Alterthumsfreunden einen kleinen Ueberblick über die vorhandenen Alterthümer in der Schönbuchsgegend zu geben, anderseits aber um den gelehrten Archäologen Material in die Hände zu liefern, mit dem sie ihre Forschungen theils zu ergänzen, theils weiter zu verfolgen in den Stand gesetzt werden.

Zugleich dürfte man im Allgemeinen zur Ueberzeugung gelangen, daß archäologische Karten das beste Mittel sind über die Vergangenheit Licht zu verbreiten, besonders aus Perioden, über welche die Urkunden fehlen und die allgemeine Geschichte nur mangelhafte Nachrichten bietet.

Wir müssen daher unsere älteste Geschichte aus dem Boden graben und die Ergebnisse in Karten genau verzeichnen, wenn wir uns eine klare Anschauung von den frühesten Verhältnissen verschaffen wollen.

Ich schließe mit der Bitte hiezu allerseitig beizutragen und die reichen antiquarischen Schätze, welche unser heimathlicher Boden birgt, allmählig an das Licht zu fördern, damit wir dem der Forschung gesteckten Ziele immer näher gebracht werden.

[029]
[Leere Seite]
[030]  
Druck der K. Hofbuchdruckerei Zu Guttenberg in Stuttgart.
Änderungsstand: